Im Netz kursiert der Hashtag #GiveElsaAGirlfriend – ein Aufruf an Disney, beim geplanten “Frozen 2” der Eiskönigin Elsa eine Freundin an die Seite zu stellen. Mein Disney-Herz pulsiert leidenschaftlich bei dieser Vorstellung und das Kind in mir hofft auf das Versiegeln alter Wunden…elsa

Disney-Filme prägen Kindheiten. Ich bin das beste Beispiel dafür. Bis heute kann ich nahezu jedes Lied mitsingen und die Dialoge meiner Lieblingsfilme auch mitsprechen. Die Geschichten nahmen Einfluss auf meine Vorstellungen von Moral, von richtig und falsch, von gut und böse – und vorallem auch von der Liebe. Allerdings hatte ich auch immer ein Problem.  Ich wollte nie Belle sein, die beim Tanz im Ballsaal ihren Kopf an die Brusts des Biests lehnt – sondern das Biest, das die Hand an ihre Taille legt! Ich wollte nicht Jasmin sein, die sich darüber beklagt wie ein Preis, den ein Mann gewinnen kann, behandelt zu werden – sondern Aladdin, der sie auf den fliegenden Teppich einlädt! Ich wollte nicht Jane sein, die von einem Affenmann durch den Dschungel von Liane zu Liane geflogen wird – sondern Tarzan, an den sie sich klammert! Bei den Liebespärchen identifizierte ich mich immer mit dem Mann. Nach dem Filmvergnügen stand dann immer die Ernüchterung, dass ich in der Realität ein Mädchen war. Meine Rolle in all diesen Geschichten, für die ich so schwärmte, würde niemals die sein können, die ich mir wünschte. Mein kindliches Selbstbild erhielt erste Schrammen.

LGBT-Charaktere bei Disney? Bislang nur in meinem Kopf…

Manch ein künstlerisch und technisch begabter Mensch hat den Disney-Charakteren in Eigenregie schwul-lesbische Interessen gegeben (wie dieser Artikel zeigt: Disney-Prinzessinnen mal anders) – aber offiziell gibt es bis heute keine LGTB-Disneyfiguren. Allerdings hat Disney im Verlauf der Zeit Disney immer mehr Türchen geöffnet, damit man sich als Person mit LGBT-Hintergrund nicht völlig fehl am Platz fühlen muss – wenn man denn bereit ist, die Türchen zu sehen. Streng genommen fängt das schon bei “Die Schöne und das Biest” (1991) an, wo es um die Liebe zu einem Biest, also etwas völlig Andersartigem, geht. Natürlich hat das Biest hier männliche Züge, aber es bleibt ein nicht-menschliches Wesen und somit fallen alle gängigen Sexualitäts-Schubladen raus. Belles Liebe entsteht, bevor sie weiß, dass ein Prinz, ein Mann, hinter dem Biest steckt – es könnte die Hülle für jeden sein! Belle verliebt sich also in Qualitäten, die jenseits von oberflächlichen Erscheinungen wie Geschlechtskriterien existieren. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass sich Belle auch nicht hätte wundern dürfen, wenn sich das Biest in der Schlussszene in eine Frau verwandelt hätte! Für mich ist “Die Schöne und das Biest” ein höchst queerer Film und vermutlich deswegen auch einer meiner All-Time-Favorites. Einen weiteren Schritt in die Richtung ging Disney mit “Mulan” (1998). Endlich gab es eine Disney-Heldin, die sich als genau so aktiv, schlau und stark entpuppte wie männliche Helden – ja, die sogar den halben Film als Mann durchgeht. Wenn das mal nicht eine Transgender-Geschichte ist! Nichtdestotrotz stehen am Ende von “Die Schöne und das Biest” und “Mulan” heterosexuelle Paare. Später schuf Disney mit “Merida” (2012) eine weibliche Heldin, die in gar keiner Romanze Erfüllung fand. Dasselbe gilt für Elsa aus “Frozen” (2013) – aber die geplante Fortsetzung für 2018 könnte etwas an ihrem Single-Dasein ändern.

Warum sollte ausgerechnet Elsa die erste LGBT-Heldin des Disney-Universums werden? Manch einer sieht Parallelen zwischen Elsas von anderen Menschen als gefährlich verschrieenen eisigen Zauberkräften und Homosexualität. Elsa versteckt ihre Zauberkräfte und versucht sie zu unterdrücken wie manch einer seine sexuelle Orientierung. In ihrer Hymne “Let It Go” befreit sie sich schließlich von den Erwartungen anderer und geht einen selbstbestimmten, zu ihren Zauberkräften und somit ihrer Andersartigkeit stehenden Weg. Ein Coming-out Song quasi. Es heißt, der Song ist bereits in der LGBT-Community angekommen, wovon ich keine Ahnung hatte – aber ich muss zugeben, dass ich ihn auch gerne schmettere und längst auf SingStar heruntergladen habe. 😀

Jetzt kommt also dieses #GiveElsaAGirlfriend. Die Initiatorin des Hashtags war Alexis Isabel:

twitter1_elsa

Immer mehr Menschen stimmen ihr zu:

twitter_elsa

Eine lesbische Disney-Prinzessin wäre wie ein Pflaster auf Kindheitswunden

Der Hashtag verbreitet sich wie ein Lauffeuer und ich bin aufgeregt – wie ein kleines Kind! Es fühlt sich an wie die Hoffnung auf eine nachträgliche Wiedergutmachung meiner frühesten Selbstkrise. Wie ein Pflaster auf alte Wunden, das dem Kind in mir versichert, dass es doch die Heldin seiner eigenen Geschichte werden könnte und das genau so, wie es ist und wie es gerne wäre. Vielleicht klingt es übertrieben, aber – vielleicht wäre meine eigene Identitätsfindung in Kindheit und Pubertät nicht so langwierig und frustrierend ausgefallen, hätte ich neben all den anderen Disney-Helden eine lesbische Heldin gekannt. Hätte ich schon in jungen Jahren gewusst, dass man auch als Mädchen Mädchen lieben kann; dass man all das sein kann, was man sich wünscht – egal welchen Geschlechts man ist. Ich glaube, es hätte was geändert. Und ich glaube, es würde auch heute etwas ändern – für all die anderen kleinen Mädchen da draußen, die sich heute noch genau so fühlen wie ich früher, weil es IMMER NOCH keine Kinderfilmheldin gibt, an der sie sich orientieren können. Dasselbe gilt für die Jungs, die lieber Jungs mögen, by the way.

Realistisch betrachtet bezweifele ich, dass eine Fan-Kampagne wie diese richtigen Einfluss auf einen fetten Konzern wie Disney und dessen strategische Entscheidungen nehmen kann. Ich befürchte, dass der Kapitalismus der Filmindustrie und auch die Schizophrenie der Amerikaner hinsichtlich ihrer Offenheit und Toleranz (ich werf mal nur ein Beispiel in den Raum: Donald Trump) es nicht zulassen werden, dass ein ohnehin viel beachteter Film wie die Fortsetzung von „Frozen“, mit der sich doch so unglaublich gut stereotyper Mädchen-Merchandising-Kram verkaufen lässt, sich auf wackliges Terrain begibt. Frozen ist zudem der erfolgreichste Animationsfilm überhaupt. Man stelle sich das Echo vor, wenn Disney ausgerechnet bei diesem Kassenschlager seinen ersten lesbischen Charakter einführt. Die erwachsene Lina ist skeptisch.

Aber das Kind in mir hofft. Denn letztlich – worauf warten, liebe Disney Studios? Let it go! Give Elsa a girlfriend!