Wenn ich darüber nachdenke, was mir mein Coming-out gebracht hat, erscheint das, was eigentlich ein schwieriger Prozess ist, als wahrer Segen. Hier kommen 5 Tatsachen, die ich meinem Coming-out zu verdanken habe…

1) Dank meines Coming-outs habe ich erlebt, dass an den romantischen Geschichten tatsächlich etwas dran ist

Ohne Coming-out hätte ich nie erlebt, dass es die rosarote Verliebtheit tatsächlich gibt. Ich würde Liebesgeschichten als kitschig und realitätsfern abtun, weil ich in meinem Leben nie eine erwiderte romantische Erfahrung gemacht hätte. Vermutlich hätte es mich frustriert, glücklich verliebte Menschen zu sehen – ich wäre neidisch gewesen. Vielleicht hätte ich versucht mit einem Mann eine Beziehung einzugehen, weil ich mich nach Nähe gesehnt hätte – und wäre dann doppelt und dreichfach frustriert darüber gewesen, dass die Erfahrung nicht an das herankommt, was ich mir erhofft und gewünscht hatte. Und dann wäre ich als verbitterte alte Frau einsam und allein gestorben. Dank meines Coming-outs aber konnte ich feststellen, dass es Liebe gibt – auch für mich Frau, die Frauen liebt.

2) Dank meines Coming-outs lebe ich kein ständiges Versteckspiel mehr

Ohne Coming-out hätte ich weiterhin versucht als “normal” zu gelten. Ich hätte mir eine Heterosexuelle-Maske aufgesetzt. Wenn meine Freundinnen über einen süßen Typen sprächen, würde ich mir abverlangen, ihnen zuzustimmen oder zumindest irgendwie nachvollziehen zu können, was sie meinen. Zugleich würde ich mich dafür hassen, nicht so zu empfinden wie sie. Fände ich eine Frau süß, würde ich nicht darüber reden – geschweige denn ihr meine Empfindung mitteilen. Letztlich wüsste niemand mehr, was wirklich in mir vorgeht – inklusive mir selbst. Mein Leben gliche einem Drama, das nur ich kenne und sehe – ein ständiges Schau- und Maskenspiel. Dank meines Coming-outs muss ich mir keine Maske mehr aufsetzen – ich zeige einfach mein Gesicht!

3) Dank meines Coming-outs konnte ich lernen, ich selbst zu sein

Ohne Coming-out hätte ich mich auch vor mir selbst versteckt. Ich hätte meine Bedürfnisse ignoriert, meine Gefühle versucht zu verdrängen und wesentliche Teile meines Selbst in Ketten gelegt. Unsicher und in ständiger Alarmbereitschaft wäre ich durch meinen Alltag gegangen und hätte mich an diesen Zustand gewöhnt. Nie hätte ich zugelassen zu fühlen, dass ich so, wie ich bin, vollkommen richtig bin. Dass ich so, wie ich bin, absolut genug bin. Ich wäre mit mir selbst nicht ins Reine gekommen. Dank meines Coming-outs hingegen kann ich mehr und mehr mich selbst annehmen und lieben. Ich verarsche mich nicht mehr selbst.

4) Dank meines Coming-outs habe ich Bücher geschrieben und meinen Blog gestartet

Lina Kaiser Tanz ins Flutlicht

Das Coming-out kommt einem Gang vom Schatten ins Licht gleich 😉

Ohne Coming-out hätte es natürlich auch keinen Coming-out Roman gegeben. Keine Katinka hätte sich aus dem Abseits der Lichter hinein ins Flutlicht getanzt – sie hätte heimlich, still und leise mit mir zusammen ein Schattendasein gefristet. Selbst wenn ich das Bedürfnis gehabt hätte, über meine Gefühle zu schreiben, hätte ich mich ohne geoutet zu sein niemals getraut, so eine von mir geschriebene Geschichte irgendjemanden lesen zu lassen. Das hätte meine wahren Gefühle ja verraten können! Vermutlich hätte ich also meine Tagebücher seitenweise mit Selbstmitleid gefüllt und mir gewünscht, irgendjemand würde mein Elend erkennen und heilen – was natürlich nicht passieren kann, wenn es keiner liest. Dank meines Coming-outs bin ich in der Lage, meine Gefühle nicht nur anzunehmen, sondern sie auch zu artikulieren, zu Papier zu bringen und mit anderen Menschen zu teilen.

5) Dank meines Coming-outs habe ich meine Freundin kennengelernt

Es erinnert an Punkt 1, aber ich möchte es nochmal betonen: Ohne Coming-out hätte ich nie die Liebe erfahren, die ich heute erfahren darf. Wer weiß, vielleicht wäre ich durch irgendeinen verworrenen Weg auch ohne Coming-out in ein Liebesverhältnis gestolpert – aber wie hätte diese verlaufen können, wenn nie ein Coming-out gefolgt wäre? Da wären wir wieder beim Thema Versteckspiel angekommen. Nur da ich mich sowohl vor mir selbst als auch vor allen anderen als lesbisch geoutet hatte, war ich offen dafür, andere frauenliebende Frauen kennenzulernen. Egal ob auf der Straße, einer Frauen-Party oder in einer Online-Partnerbörse – nur wer sich zeigt, wird auch gesehen. Dank der Sichtbarkeit, die das Coming-out mit sich gebracht hat, habe ich meine Freundin kennengelernt – und ich könnte für nichts dankbarer sein. ❤

Mein Coming-out hat mir im wahrsten Sinne des Wortes Türen geöffnet, durch die ich heute gehen kann. Es war einer der schwierigsten Prozesse meines Lebens – und wie wir alle wissen, endet das Coming-out nicht bei einem Mal – aber es war auch der wohl lohnenswerteste Prozess meines Lebens. Sagen wir es so: Dank meines Coming-outs bin ich heute die, die ich bin. Ich bin sehr dankbar dafür und wünsche allen, die noch im Schrank sind, dass sie den Ausbruch schaffen. Man selbst sein zu können macht glücklich. Also los, raus aus dem Schrank! 😉

P.S.: Für Tipps zum Coming-out Prozess, lies meine Reihe „5 Schritte zum Coming-out“ ️‍