Alicia Zimmermann (20) ist Filmstudentin und YouTuberin mit mehr als 17.000 Followern und über eine Millionen Klicks. Auf ihrem Kanal AbisZett thematisiert sie LGBT-Themen und ihre Liebesbeziehung mit der YouTuberin Cha Ginger. Gute Gründe, Alicia einmal näher kennenzulernen! Ich sprach mit ihr über ihr Coming-out, homophobe Kommentare und das Leben mit der Öffentlichkeit…

Alicia! Wie bist Du überhaupt auf die Idee gekommen, einen YouTube-Kanal zu starten?

Ach, ich dachte, ich habe noch nicht genug Stress! Nein, Quatsch. Ich habe einfach selber gerne YouTube-Kanäle verfolgt. In der Schulzeit habe ich mich noch nicht getraut, einen eigenen Channel aufzumachen – aber danach war es dann soweit. Anfangs hatte ich Sorge, dass meine Videos nur 10 Klicks bekommen und ich bin immer noch überrascht, wie schnell das jetzt doch alles ging.

Erhöhen steigende Klick-Zahlen eigentlich den Druck auf Dich?

Es erhöht den Druck in der Hinsicht, dass ich zuletzt weniger Zeit hatte. Ich will kontinuierlich jeden Sonntag ein Video hochladen – und wenn dann mal eine Woche vergangen ist und nichts kam, ist da schon ein Druck, der von mir selbst ausgeht. Letztlich mache ich aber die Videos, weil es mir Spaß macht. Die Follower-Zahl nehme ich gar nicht so wahr. Klar, es ist krass, wenn ich wie zuletzt mit Cha auf der Comic Con unterwegs bin, uns dort Leute sehen – und die beginnen zu weinen. Das freut uns natürlich – also nicht, dass die weinen! Aber dass sich Leute so freuen, uns zu sehen. Es ist komisch, aber auch cool.

AbisZett YouTube Kanal

YouTube-Kanal Abiszett: Videos rund ums Coming-out, LGBT-Medien und vieles weitere

Wann hast Du festgestellt, dass Du auf Frauen stehst? Wie verlief Dein Weg zum Coming-out?

Lang. Steinig. Und schlimm. Man fühlt sich unsicher und verletzlich. Anfangs hab ich mir noch anders erklärt, wenn mir ein Mädchen ein Kribbeln im Bauch versetzt hat. ‘Die finde ich halt toll, die kann dies und jenes gut…’ Tatsächlich war ich auch einmal richtig in einen Jungen verliebt – das hat mir das Coming-in nicht leichter gemacht. Obwohl nur ein Junge in mir ausgelöst hat, was in derselben Zeitspanne 6 Frauen in mir ausgelöst haben, konnte ich mich darauf berufen und denken, dass ich hetero bin. Und die Frauen da, ach, die fand ich halt aus anderen Gründen irgendwie gut… Jaja. Selbst, dass ich fiktive lesbische Pärchen aus den Serien Schloss Einstein, dann GZSZ, später Orange is the New Black toll fand, habe ich mir anders erklärt.

Wirklich akzeptiert habe ich meine Sexualität erst mit 18, weil ich zu diesem Zeitpunkt schon sehr lange in ein Mädchen verliebt war. Eines Abends lag ich in meinem Bett und habe es laut ausgesprochen: ‘Ich bin lesbisch.’ Das fand ich komplett schrecklich! Dann habe ich es ein paar Mal hintereinander gesagt, bis es sich normaler anhörte. Wobei es sich nie ganz normal für mich angehört hat, ich mag einfach keine Labels.

Du magst Labels nicht?

Ich mag es allgemein nicht, in irgendeine Schublade gesteckt zu werden. Uns werden so viele Stereotype vermittelt – in Filmen und Büchern, in den Medien… Es ist klar, dass Leute dann anfangen, auch in Stereotypen zu denken. Hinzukommt, dass Labels wie ‘lesbisch’ oder besonders ‘schwul’ von einigen Leuten als Schimpfwörter benutzt werden.

Kannst Du beschreiben, was es Dir zunächst so schwer gemacht hat, Deine Homosexualität zu akzeptieren?

Das Problem war überhaupt nicht meine Familie. Aber in der Schule gehörte ich nie zu den Beliebten – und ich wollte gerne beliebt sein. Ich dachte, wenn ich jetzt auch noch lesbisch und ‘unnormal’ wäre, dann würde nur über mich gelästert werden. Viel lieber wollte ich unauffällig sein. Ich hatte Angst vor den Leuten und vor Situationen wie in der Umkleidekabine – dass andere Mädchen dann denken, ich würde sie angucken, weil ich auf sie stehe. Oder dass sie im Nachhinein jede Umarmung uminterpretieren. Deswegen habe ich nie gerne Körperkontakt mit Freundinnen gehabt – aus Angst, sie könnten das falsch verstehen.

Warum thematisierst Du Homosexualität so stark auf Deinem YouTube-Kanal?

Vielleicht ein Stück weit für mich selbst – weil ich endlich darüber reden kann! Als ich den Kanal startete, war ich erst ein halbes Jahr geoutet. Mein Kanal bot mir die Möglichkeit, offen über das Thema zu sprechen. Scheinbar hatte ich da viel Redebedarf… Aber es wurde auch von Mal zu Mal immer leichter. Vor allem als ich merkte, dass ich anderen damit helfen kann. Früher habe ich selbst nowthisisliving mit dem (Ex-)Pärchen Shannon und Cammie geguckt. Sowas gab es im deutschen Raum gar nicht. Da dachte ich: Dann muss ich es halt machen! Und ich mache es echt gerne.

Wie waren die Reaktionen Deines Umfelds darauf, dass Du Dich so öffentlich als frauenliebende Frau zeigst?

Abiszett alias Alicia Zimmermann

Meine Mutter schaut alle meine Videos. Zu Hause habe ich voll oft meine Stimme gehört, weil meine Mutter in der Küche meine Videos abgespielt hat! Und ich immer: ‘Ach Mama, bitte mach etwas anderes!’ Meine Verwandten sind da ganz cool. Selbst meine Oma guckt meine Videos, obwohl die sich gar nicht mit dem Internet auskennt: ‘Du warst da in diesem Internet drin…’ Auch die Reaktionen im Netz waren sehr positiv. Selten gab es mal Hass-Kommentare wie „Lies doch mal die Bibel, ihre werdet in der Hölle brennen”…

Wie fühlt es sich an, solche wirklich angreifenden Kommentare zu bekommen?

Da lach ich eher drüber. Cha hat letztens ein Video zur Ehe für Alle gepostet, das auch ein paar blöde Kommentare abbekommen hat – sowas wie “Dann kann man ja auch seinen Toaster heiraten”. Meine Freundin wollte die Kommentare gar nicht mehr lesen, weil sie das traurig machte. Ich habe sie dann auf die ganzen positiven Reaktionen aufmerksam gemacht – denn die waren letztlich viel mehr! Wir haben eine echt liebe Community, die uns verteidigt. Aber ich nehme mir doofe Sprüche generell nicht zu Herzen. Ich lasse sie stehen, um zu zeigen, dass es immer noch homophobe Leute gibt. Mich irritieren eher andere Kommentare. Zum Beispiel stand letztens unter einem Instagram-Bild von mir: “Hast du abgenommen?” Wenn etwas gegen meine Sexualität geht, denke ich, dass das einfach gestörte Leute sind. Wenn es aber um meinen Körper geht, fühle ich mich viel mehr persönlich verunsichert.

Hattest Du schon in der Schulzeit Dein Coming-out?

Nein. Ich weiß nicht, ob es besser gewesen wäre oder nicht. Ein Junge aus meiner Stufe hatte damals sein Coming-out und war erstmal das Gesprächsthema der Schule. Ich konnte das damals nicht. Da sind so viele Leute, mit denen man eigentlich gar nicht redet. Die müssen das auch nicht wissen. Letztlich habe ich mich über das Internet und Facebook geoutet – “Alicia ist jetzt in einer Beziehung mit Cha”. Ohne Label. Wäre ich nicht mit Cha zusammengekommen, weiß ich nicht, wie lange ich noch ungeoutet geblieben wäre.

Cha hatte zu dem Zeitpunkt, als ihr zusammen kamt, ja bereits einen gewissen Bekanntheitsgrad bei YouTube. Ich stelle mir das heftig vor, direkt mit dem Coming-out so in der Öffentlichkeit zu stehen…

Ja. Ich trat in dem Video “Mein neuer Freund?” erstmals als ihre Partnerin auf – und war so aufgeregt! Wir haben uns erst am Abend dann gemeinsam die Kommentare darunter durchgelesen und es war echt krass. Sie waren alle so positiv! Cha hatte, glaube ich, noch mehr Angst als ich, dass es nicht gut ankommen könnte. Aber ich glaube, Harry-Potter-Fans sind eh tolerante Menschen. Es war einfach echt cool. Vielleicht kennst du das, wenn man verliebt ist und es einfach in die ganze Welt hinausschreien will?!

Oh Ja… ❤

Es war einfach ein toller Moment.

Hast Du eigentlich Angst davor, was passieren würde, wenn Eure öffentliche Beziehung eines Tages genauso öffentlich in die Brüche ginge?

Cha und ich haben ja jeweils einen eigenen YouTube-Channel, sodass wir nicht nur als ein Pärchen wahrgenommen werden. Aber klar, die Leute wollen uns zusammen sehen. Manche geiern richtig nach dieser Liebe – was ich auch verstehen kann. Es gibt Grenzen für mich, manches ist einfach privat. Sollten wir mal eine Familie haben, würde ich auch nie unsere Babys in die Kamera halten. Am Beispiel Shannon und Cammie konnte man ja schon sehen, dass es für die Community traurig ist, wenn so ein Paar auseinander geht… Ach, ich will gar nicht daran denken, dass es mit Cha und mir überhaupt auseinandergehen könnte!

Sollst Du auch nicht! 😉 Wie ist denn Dein Eindruck lesbischer Präsenz in der Gesellschaft?

In Filmen, Serien und Büchern wird lesbische Liebe auf jeden Fall immer sichtbarer. Allerdings nervt mich, dass sich dann wiederum Leute aufregen und sagen ‘Boa nee, schon wieder ein lesbisches Pärchen… Gibt es da nicht schon genug von?!’ Nein! Da gibt es nicht genug von! Bei Büchern ist es in Deutschland speziell. In Amerika gibt es so viele LGBT- und Coming-out-Bücher, die hier einfach nicht übersetzt werden.

Ich würde Dir ja da Im Abseits der Lichter und Tanz ins Flutlicht empfehlen… Höhö…

Im Abseits der Lichter habe ich tatsächlich gelesen! Das ist doch das mit dem Fußball! Das wurde mir damals auf einer Internetseite empfohlen und ich habe es mir als Ebook geladen.

Bist Du eigentlich in der LGBT-Community unterwegs, so auf Partys oder dem CSD?

Generell bin ich nicht so die Partygängerin. Auf dem CSD in Frankfurt war ich schon und das fand ich auch richtig geil! Ich habe auch einige LGBT-Freunde, aber ich suche mir meine Freunde ja nicht nach ihrer Sexualität aus.

Wie sehen Deine Pläne für die Zukunft aus?

Cha sagt immer, ich soll mir nicht so viele Gedanken über die Zukunft machen! Haha… Also erstmal will ich meinen Bachelor machen. Ich will unbedingt ins Serien-Geschäft, denn ich liebe Serien einfach. Vielleicht geht’s dann irgendwann nach Köln, wo viele gedreht werden. Mega gerne würde ich bei einer Serie wie Der Lehrer mitmachen, die finde ich richtig gut. Natürlich möchte ich in jedem meiner Projekte LGBT-Themen einbeziehen. Was soll ich auch sonst machen? 😉

Super! Dann bin ich gespannt, was da noch alles kommt und wünsche Dir weiterhin ganz viel Erfolg sowohl bei YouTube als auch im Film- und Serien-Business. Und natürlich auch ganz viel Glück für Cha und Dich! Lieben Dank für das Interview! ❤️‍