“Bist du schwul oder was?”, “Scheiß Lesbe” – Sätze, die auf Schulhöfen leider Gang und Gäbe sind. Für Schüler ist ein Coming-out in der Schule schon schwierig – doch wie ist das erst für Lehrer? Susanne ist Grundschullehrerin und leidet darunter, sich nicht outen zu können.Heutzutage sollte es kein Problem mehr sein, zu seiner Homosexualität stehen zu können. Trotzdem gibt es noch Branchen und Tätigkeitsfelder, in denen Homosexuelle lieber zwei oder drei Mal nachdenken, bevor sie sich dort outen würden. Ein prominentes Beispiel ist das Fußballgeschäft: In der Bundesliga der Herren spielen knapp 500 Spieler, von denen nicht einer homosexuell sein soll. Sehr unwahrscheinlich. Was hält die Spieler zurück? Die Angst, in dem knallharten “Männersport” durch ein Coming-out als zu weich abgewertet zu werden und Beschimpfungen von hunderttausend vermeintlichen Fans ertragen zu müssen. Traurig und doch nachvollziehbar, dass in dieser Branche, die eine dermaßen große Aufmerksamkeit genießt, sich noch niemand während seiner aktiven Karriere geoutet hat. Doch auch in ganz anderen Karrieren kann eine Coming-out schwer sein: zum Beispiel in der Grundschule.

Susanne ist 28 Jahre alt und ist Lehrerin an einer Grundschule in Bayern. „Vor den meisten meiner Kollegen bin ich geoutet”, berichtet sie 28-Jährige. „Als ich neu an die Schule kam, wurde ich gefragt, was mein Freund beruflich mache. Ich habe ganz kurz gezögert und dann gesagt: Du meinst, du willst wissen, was meine Freundin beruflich macht? Dabei habe ich das –in besonders betont, damit auch klar ist, was ich meine. Die Reaktionen darauf waren alle positiv.” Doch auch wenn das Coming-out in der Schule zumindest im Kollegium gut geklappt hat, hält sie vor ihrer Klasse lieber zurück. „Meine Sorgen sind dabei nicht die Kinder – die fänden das bestimmt ganz normal, wenn ich ihnen erkläre, dass ich eine Freundin habe und dass man sich als Frau auch in eine Frau verlieben kann. Ich denke da eher an die Eltern.”

Coming-out in der Schule: “Es geht es auch um den Ruf, den man zu verlieren hat.”

Es ist ein Leid der Lehrkräfte: Aufgrund von Notengebungen oder anderen pädagogischen Entscheidungen geraten sie schnell an den Pranger der Eltern, wenn diese eine andere Meinung haben. Diese Erfahrung hat auch Susanne schon machen müssen und möchte somit nicht mehr von sich preisgeben und somit angreifbar machen, als nötig: “Da man als Lehrerin zu einem gewissen Teil in der Öffentlichkeit steht, geht es auch um den Ruf, den man zu verlieren hat. Durch WhatsApp-Gruppen verbreiten sich Gerüchte und negative Meinungsmache sehr schnell. Ich möchte aufgrund meines Unterrichts und meines pädagogischen Geschicks beurteilt werden und nicht, dass das erste, das über mich erzählt wird, meine Sexualität ist. Ich möchte mich vor negativen Kommentaren schützen, damit ich nach wie vor gerne in die Schule gehen kann.”

Studie: 61 Prozent fürchten sich vor einem Coming-Out in der Schule oder im beruflichen Kontext

“Mir würde eine Schulleitung helfen, die sich 100 Prozent hinter mich stellt und mir den Rücken stärkt”, sagt Susanne. “Außerdem, dass das Thema sexuelle Vielfalt im Lehrplan verankert wird und auch durch die Politik Signale kommen, dass das Thema wichtig ist – und nicht, dass darüber diskutiert wird, ob alle Kinder homosexuell werden, wenn man im Unterricht darüber spricht!”

Tatsächlich ist diese merkwürdige Annahme noch ein Problem in den Köpfen mancher Menschen. In einigen Bundesländern ist das Thema Homosexualität mittlerweile in den Lehrplänen verankert. Nichtsdestotrotz verlief dies nicht immer geräuschlos. 2014 führte der geplante Bildungsplan für Baden-Württemberg, welcher eine fächerübergreifende Behandlung der Akzeptanz homo- und transsexueller Vielfalt vorsah, zu massiven Demonstrationen konservativer Seite unter dem Namen “Demo für Alle”. Die Gegner des Lehrplans, zum Beispiel die Kirche, befürchteten eine “Indoktrination” in dem “sensiblen Bereich der sexuellen Identität” – also kurz gesagt, dass durch die Behandlung von Homosexualität im Unterricht Kinder homosexuell gemacht würden. Zum Glück gibt es aber auch von den Bundesländern geförderte Programme, in denen aktiv über Homosexualität aufgeklärt wird, wie Schule der Vielfalt oder SCHLAU NRW. Die Teamer_innen von SCHLAU gehen in Schulen, Sportvereine und andere Jugendgruppen und klären dort über LGBTI-Themen auf, indem sie oftmals dort ihre persönliche Geschichte erzählen. Auf der SCHLAU-Webseite wird eine Studie vom Deutschen Jugendinstitut zitiert: “61 Prozent der Befragten gaben an, sich vor einem Coming-Out im schulischen oder beruflichen Kontext zu fürchten. Ein Coming-Out während der Schulzeit vermeiden die meisten Menschen aus Angst vor Ausgrenzung und Mobbing.”

“Homosexualität wird leider noch zu sehr tabuisiert”, bemängelt Susanne. Zeit, dass sich dies ändert.