Hand auf`s Herz: Wer hat wirklich gewagt zu hoffen, Disney würde nach der Forderung #GiveElsaAGirlfriend aus seiner Eiskönigin tatsächlich die erste lesbische Disney-Prinzessin aller Zeiten machen? Nun läuft „Die Eiskönigin 2“ endlich in den Kinos und wir haben Disneys Antwort bekommen… 

2016 zog ein eisiger Sturm durch Twitter und von dort aus durch das ganze Netz. Nachdem Disney verkündet hatte, eine Fortsetzung zum Mega-Erfolg „Frozen“ herauszubringen, fühlte sich eine beachtlich große Gruppe queerer Menschen bereit, die erste lesbische Disney-Prinzessin aller Zeiten zu fordern: #GiveElsaAGirlfriend eroberte das Netz sowie filmkritische und queere Kolumnen und entfachte ein kleines Feuer der Hoffnung in den Herzen der Menschen, die Disney-Filme lieben und doch genau wissen, dass sich Disney sehr schwer damit tut, die LGBT-Community in ihrem Kosmos abzubilden. 

Warum Elsa zu einer queeren Hoffnung wurde

„Frozen“ ist ein typischer Disney-Prinzessinnen-Film, der jedoch durch eine Eigenheit besticht, die ihn von so vielen anderen Disney-Prinzessinnen-Filme unterscheidet: Die Protagonistin Elsa, die Eiskönigin, hat kein Love-Interest. Im Gegensatz zu ihrer Schwester, Prinzessin Anna, die sich nach nichts so sehr verzehrt wie der romantischen Liebe und sich deshalb direkt auf den erstbesten dahergelaufenen Prinzen einlässt, ist Elsa unbeeindruckt, gar kalt der gesamten Thematik gegenüber.

Wie wir erfahren, treibt sie vielmehr ein tiefes Gefühl des Andersseins umher. Aufgrund ihrer magischen Fähigkeiten wurde sie gezwungen, isoliert von anderen aufwachsen, durfte nicht zeigen, wer sie war und lebte quasi ein Leben im Schrank. Ihr Song „Let it go“, in welchem sie sich schließlich von den Erwartungen anderer lossagt und den zuvor versteckten Teil von sich annimmt und heraus lässt, wurde direkt von der queeren Community als Coming-out-Hymne anerkannt. Ein Song über Selbstakzeptanz und eine mit Stolz getragene Andersartigkeit sowie kein vorhandenes romantisches Interesse genügte, um Elsa in die Position zu rücken, für viele Menschen eine Hoffnung queerer Repräsentanz zu werden.

Disney und die Scheu vor LGBT-Charakteren 

Disney tut sich bekannertmaßen schwer mit queeren Charakteren. Obgleich der Konzern sich als Verfechter von Diversity versteht, bestechen seine Filme nicht durch zu viel LGBTQI-Präsenz. Dies hat Gründe.

Als Disney 2017 wagte, in „Die Schöne und das Biest“ den Charakert LeFou mit homoromantischen Tendenzen auszustatten – und es waren wirklich nur für Tendenzen, die die Zuschauer durchaus übersehen können, wenn sie wollen oder schlicht nicht den Blick dafür haben – führte dies direkt dazu, dass der Film in Malaysia nicht aufgeführt werden durfte. Auch der kommerziell so wichtige chinesische Markt beäugt kritisch, wenn in einem Film – einem Kinderfilm auch noch – Homosexualität auftaucht. In den USA selbst steigen erzkonservative Lager sofort auf die Barrikaden, wenn sich LGBT-Charaktere in Kinderfilmen auch nur andeuten.

Sicherlich begreift sich Disney als ein Unternehmen mit der Aufgabe, jungen Menschen gewisse Werte, zu denen auch Diversity zählt, mit auf den Weg zu geben. Und doch bleibt Disney ein Konzern, der auf Profit schaut und nicht wirklich bereit ist, etwas zu wagen, was zu viele Menschen aufregen könnte.

In den Jahren nach dem Schrei, Elsa doch bitte in der Frozen-Fortsetzung eine Freundin zu geben, rumorte es also kräftig in der Gerüchteküche. Bis zuletzt blieb die Frage im Raum, was Disney bereit sein würde, aus seiner Eiskönigin zu machen – nun wissen wir es.

Achtung, ab dieser Stelle folgen SPOILER

für Disneys „Die Eiskönigin 2“.

Es ist genau das eingetreten, was man als realistischer Mensch von einem Konzern, der es am liebsten allen Recht machen möchte, erwarten konnte: Disney ließ Elsa in ihrer Sexualität eindeutig uneindeutig. Disney hat Elsa kein Girlfriend gegeben – aber Disney hat Elsa auch keinen Boyfriend gegeben. „Die Eiskönigin 2“ macht Elsa nicht mehr und nicht weniger lesbisch als zuvor. Das ist einerseits enttäuschend. Und andererseits auch wunderbar.

Die Verantwortlichen um den Film herum werden nicht müde zu sagen, dass Elsa schlicht nicht über eine romantische Liebe definiert wird – wurde sie nie, wird sie weiterhin nicht. Sie braucht niemanden – keinen Prinzen und auch keine Prinzessin – um „ganz“ zu sein. Tatsächlich sucht Elsa auch im zweiten Teil vor allem nach sich selbst und nach ihrem Platz in der Welt, denn etwas im heimischen Arendell scheint ihr zu fehlen… und hier kommen wir auch schon auf den nach wie vor lesbaren, queeren Subtext ihrer Geschichte. 

Darum bleibt Elsa eine lesbische Hoffnung 

Ich bin in diesen Film hineingegangen, ohne irgendetwas vorher dazu zu lesen – ich wollte mir nicht den Funken Hoffnung nehmen, vielleicht doch die erste lesbische Disney-Prinzessin aller Zeiten zu sehen und zugleich wollte ich mir nicht bereits im Vorhinein einreden lassen, irgendwo Anzeichen für Elsas Homosexualität finden zu können. Also saß ich unvoreingenommen und doch hoffnungsvoll im Kino – und meine lesbischen Antennen haben ausgeschlagen. 

Das beginnt schon damit, dass sich Elsa zu einer mysteriösen, weiblichen Stimme hingezogen fühlt. Obgleich es ihr Angst macht, sehnt sie sich danach, der Stimme zu folgen und diese Person zu treffen, die sie nachts wach hält – was sie im Song „Wo noch niemand war“ besingt: „Was soll ich tun, warum nur hältst du mich nachts wach? Soll dein Ruf mich verwirren, dass ich sorglos werd‘ und schwach? Wär’s vielleicht doch möglich, dass du auch so bist wie ich? Und spürst du auch, es gibt niemand sonst wie dich?“ Zu diesem Zeitpunkt können weder Elsa noch die Zuschauer ahnen, wer oder was hinter dieser Stimme steckt. Klar wird jedoch, dass sich Elsa danach sehnt, jemanden zu finden, der so ist wie sie…

Elsa findet auf ihrer Reise nicht nur sich selbst…

Auf der Suche nach der mysteriösen Stimme treffen Elsa und Co nun auf das Volk der Northuldra und lernen ein paar neue Leute kennen… und Elsa findet sogleich Zugang zu einer jungen Frau namens Honeymaren. Ich möchte ja gar nicht dem Film verzweifelt romantische Momente unterstellen, aber – natürlich ist die Szene der Zweisamkeit am Lagerfeuer (na gut, mit Baby-Rentier, aber – macht es das weniger romantisch?!) inklusive des gemeinsam gesungenen, hochbedeutsamen Schlaflieds von Elsas Mutter ein sehr vielsagender Moment für die Eiskönigin, die sonst – bis auf ihre Schwester – niemanden so richtig an sich heranlässt. Also ich für meinen Teil habe bei dieser Szene gedacht: Da ist sie. Da ist das Girlfriend für Elsa, nach dem wir alle geschrien haben!

Und dann geht die Story weiter und Honeymaren verschwindet in Bedeutungslosigkeit… Naja, fast! Elsa durchlebt die hochdramatische Begegnung mit der mysteriösen Stimme, nach der sie sich so gesehnt hat, und singt dabei die nächste queere Hymne: „Show Yourself“. Eine Art Liebeslied an sich selbst. Elsa begreift die Zusammenhänge der Vergangenheit und erkennt sich selbst in jenem Moment; ihr wird klar, wo ihr Platz in in dieser Welt ist. 

Honeymaren ist es, die Elsa schließlich nahelegt, bei den Northuldra zu bleiben – denn auch sie spürt, dass Elsa dorthin gehört und nicht zurück nach Arendell. Und so gibt Elsa ihre alte Komfortzone auf, nimmt schließlich auch Abstand von der engen Bindung an ihre Schwester, die nun selbst Königin wird und Ehefrau – und beide Schwestern beginnen neue Leben, reifer und erwachsener als zuvor. Elsa reitet fortan mit den Elementen der Natur um die Wette und in der Schlussszene sehen wir Honeymaren ihr noch einmal zuwinken. Ende.

Die LGBT-Community braucht keine lesbische Disney-Prinzessin –
aber es ist schön, dass es sie gibt…

Natürlich brennt „Die Eiskönigin 2“ kein homoromantisches Feuerwerk ab. Aber letztendlich bleiben die Filme und Elsa das, was wir Zuschauer daraus machen. Disney hat uns keine lesbische Prinzessin gegeben. Doch Disney hat uns auch nicht die Hoffnung darauf genommen. Elsa kann immer noch lesbisch sein. Und wer weiß, ob sich Disney die Gelegenheit nehmen lassen wird, ein kommerziell so erfolgreiches Werk zu einer Trilogie auszuweiten… und wie mutig Disney dann sein wird.

Vielleicht ist das zu wenig. Vielleicht hätte es mehr sein können – vielleicht ist es aber schon etwas, worüber wir uns freuen können. Die LGBT-Community braucht keine lesbische Disney-Prinzessin, um stolz zu sein und Flagge zu zeigen. Nö. Aber es ist doch schön, zumindest denken zu können, dass es eine lesbische Disney-Prinzessin gibt. Und tatsächlich spricht auch nach „Die Eiskönigin 2“ nichts für das Gegenteil…