Schreiben ist ein tolles Tool, um seine Gedanken zu sortieren, sich kreativ auszuleben – und um sich selbst zu helfen! In dieser Podcast-Episode erzähle ich dir, wie du kreatives Schreiben für dich nutzen kannst und wie es dir sogar beim Coming-out helfen kann…

Mit meinem 12. Lebensjahr begann ich, ein Tagebuch zu führen. Ungefähr 10 Jahre lang füllte ich es regelmäßig mit einen Themen, Gedanken und Leiden (und wie wir wissen, leidet man als Teenager besonders). Wie eine Süchtige habe ich die Seiten mit meinen Gedanken und vor allem meinem Herzschmerz gefüllt – habe mich berauscht an meinen eigenen Emotionen. Manchmal habe ich stundenlang bestimmte Situationen geschildert und schriftlich durch analysiert. Meine Gefühle für bestimmte weibliche Personen zum Beispiel.

Mittlerweile hat sich an meinem Schreibverhalten einiges verändert – das Tagebuch wich meinem Blog und meine Gedanken und Erfahrungen flossen in meine Romane “Im Abseits der Lichter” und “Tanz ins Flutlicht”. Doch auch wenn sich die Form verändert hat, beim Schreiben bin ich geblieben. Im Grunde ist es dasselbe – ich suche Worte, um mich, meine Gedanken und Gefühle auszudrücken, mir einerseits dadurch Luft zu machen, meine Seele zu erleichtern und gleichzeitig mich selbst ein bisschen mehr zu verstehen. Schreiben, in Worte fassen, macht, dass man sich viel eindringlicher mit dem Kern von Empfindungen befassen muss – denn wie will man ausdrücken, was man nur fühlt, ohne eine wörtliche Umschreibung zu finden? Dann bleibt die Empfindung im Dunkeln, unausgesprochen, nicht teilbar, verloren irgendwo in einem Selbst.

Schreiben ist eine Technik der Selbsthilfe

Tatsächlich gibt es psychologische Studien, die belegen, dass Schreiben einen Effekt auf die Psyche hat – es ist eine Technik der Selbsthilfe. An der Uni von Texas hat eine Studie gegeben, bei der eine Gruppe der Teilnehmer über einen bestimmten Zeitraum immer wieder in einem Tagebuch von einem für sie schwierigen Erlebnis schreiben sollten – über den Verlust eines geliebten Menschen, eine Krankheit oder einen Unfall etc. Diejenigen, die über das traumatische Erlebnis geschrieben hatten, waren in den folge Monaten weniger krank (mit Grippe etc.) als die Teilnehmer, die bei der Übung über Belanglosigkeiten geschrieben hatten. Ganz so, als hätte die Konfrontation mit einem emotional schwierigen Thema die Leute widerstandsfähiger gemacht! Es gibt sogar Untersuchungen, die auf einen Zusammenhang zwischen therapeutischem Schreiben und dem Abwehrsystem deuten – selbst bei HIV-Patienten zeigten sich immunstärkende Effekte. Zudem scheint das Schreiben einen positiven Einfluss auf Wundheilung zu haben.

Wie dir Schreiben beim Coming-out helfen kann!

Beim Schreiben jedoch sortieren wir quasi das Chaos an Gedanken und Gefühlen in uns und bringen sie in kompakter Form auf Papier. Wir fügen den Wirrwarr zu einer für uns schlüssigen Geschichte zusammen. Wir können dem, was sinnlos erschien, so einen Sinn zuschreiben. Zudem fällt es Menschen, die zuvor ihre Gefühle zu Papier gebracht haben, leichter, mit anderen darüber zu sprechen. Gerade im Coming-out Prozess kann es sehr hilfreich sein, wenn man sich selbst schon so weit mit seinen Gefühlen beschäftigt hat, dass man danach bereits Worte dafür gefunden hat, die man anderen mitteilen kann. Es gibt auch hier tatsächlich Studien, die besagen, dass Menschen nach dem Schreiben mehr Zeit mit anderen verbringen und öfter “wir” als “ich” sagen – als würde das Schreiben das soziale Miteinander fördern.

Also wie kannst du das Schreiben in dein Leben integrieren, sei es im Coming-out Prozess oder auch sonstiger vielleicht komplizierter Lebensphase?

  • Beginne jeden Tag von deinem Tag oder einer bestimmten Situation des Tages, die dich beschäftigt hat, zu schreiben. Dabei hilft es besonders, wenn es dir gelingt, es wie eine kleine Geschichte zu erzählen und auch mal die Perspektive  zu wechseln. Übrigens scheinen auch eine hohe Anzahl von Formulierungen, die Einsicht oder einen kausalen Zusammenhang nahelegen, einen guten therapeutischen Effekt zu haben – Ausdrücke wie “mir wurde klar” oder “ich verstehe”.
  • Setz dir Schreib-Zeiten! Ich möchte an dieser Stelle eine kleine Warnung aus eigener Erfahrung mitgeben: Ich glaube, dass ich mich beim Schreiben auch teilweise in emotionale Negativspiralen begeben habe. Wie bei allem im Leben, glaube ich, dass es auch hier eine Frage des Maßes ist: Beim Schreiben kann man sich auch in der Kraft melancholischer Emotionen verlieren. Deswegen hilft es, wenn man sich ein Zeit-Limit, zum Beispiel zunächst auf 15 Minuten, setzt und zum Abschluss der Aufzeichnungen kommt, bevor man sich zu sehr in eventuelle Negativität hineinsteigert.
  • Wenn man sich jedoch beim Schreiben auf glückliche Erlebnisse konzentriert, kann das den Effekt haben, im Alltag ein höheres Glücksempfinden zu spüren. Viele Coaches raten dazu, ein Dankbarkeits-Tagebuch zu führen in dem man z.B. jeden Morgen und jeden Abend 3 Dinge oder Gegebenheiten notiert, für die man dankbar ist.

Probier es aus, wie gesagt – ich schwöre aufs Schreiben. Schreib mir gerne, ob du schreibst und inwiefern es dir hilft! Happy writing.

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