Was heißt denn hier lesbisch?!

Sie sind da. Sie flattern herum wie in tausend Liedern und Gedichten beschrieben und geben dir so ein flaues Gefühl in den Knien – die berühmten Schmetterlinge im Bauch. Eindeutige Anzeichen der Verliebtheit, wunderschön und federleicht… Nur eine Sache hindert dich noch, mit den Faltern in die rosa Wolken abzuheben: Es ist ein Mädchen, das diese Gefühle in dir auslöst. Und du bist doch selbst ein Mädchen! Bist du jetzt etwa lesbisch…? Was heißt denn lesbisch überhaupt?!

Lesbisch sind Frauen, die auf romantische und körperliche Art und Weise Frauen lieben. So einfach ist die gängige Definition und doch bleibt sie schwammig. Kann eine Frau auch lesbisch sein, wenn sie sich auch schon in Männer verliebt hat oder gerne mal mit ihnen ins Bett geht, oder wenn sie hin und wieder gerne mit einer Frau ins Bett geht, aber sich nicht als verliebt bezeichnen würde? Wo fängt das Lesbischsein an und wo hört es auf? Und worum geht es dabei eigentlich – mehr um Liebe, um Sex, um beides gleichzeitig? Verschiedene Frauen werden dir darauf verschiedene Antworten geben.

Eine kleine Reise durch Zeiten und Begrifflichkeiten

Das Wort “Lesbe” selbst hat eine genau so lange und undurchsichtige Geschichte hinter sich, wie die Frauen, die es bezeichnet. Lesbisch geht ursprünglich auf die griechische Insel Lesbos zurück. Im 6. Jahrhundert lebte dort die Dichterin Sappho, die in ihren Werken auch die Liebe zwischen Frauen thematisierte. Trotzdem setzte sich der Begriff zunächst nicht durch. In der Antike bezeichnete man Frauen, die sexuelle Praktiken mit Frauen ausführten, als “Tribaden”. In den düsteren Jahrhunderten des Mittelalters verfluchte man jegliches Sexualverhalten, das nicht der Fortpflanzung diente, als “Sodomie”. Darauf stand die Todesstrafe, sowohl für Männer, als auch für Frauen. Zum Ende des 18. Jahrhunderts begann die patriarchalische Gesellschaft dann, Frauen ihr eigenes Sexualverlangen abzusprechen. Während männliche Homosexualität noch mit Verfolgung und harten Strafen begegnet wurde, war weibliche Homosexualität schlicht unsichtbar – was allerdings nicht heißt, dass es sie nicht gab. Frauen fanden unter dem Deckmäntelchen der “romantischen Freundschaft” Raum für gleichgeschlechtliche Liebe. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts trat dann das Wörtchen lesbisch wieder auf.

Ob sich solche Frauen, die einst aufgrund von Sodomie verbrannt wurden oder solche, die romantische Freundschaften zu anderen Frauen pflegten, in der heutigen Gesellschaft als lesbisch bezeichnen würden? Wir werden es nie erfahren. Klar wird allerdings, dass es keine perfekte Definition davon gibt, wer oder was oder wie lesbisch ist. So lange es schon Liebe auf Erden gibt, so lange gibt es auch gleichgeschlechtliche Liebe. So lange es schon Sex auf Erden gibt, gibt es auch Homosexualität. Letztlich sind Bezeichnungen und Kategorien, die wir Personen und Verhaltenstendenzen aufdrücken, nichts anderes als von Menschen gemachte Konstrukte. Wir benutzen sie, um in der Welt und miteinander zurechtzukommen.

Lesbischsein und Nicht-Lesbischsein: Alles Definitionssache

Jedem Menschen bleibt es selbst überlassen, ob er seine Sexualität mit einem Begriff definiert – oder eben nicht. Ich persönlich habe mir über Jahre hinweg die Frage gestellt, ob ich lesbisch bin. Immer wieder. Und obgleich die Anzeichen ziemlich klar waren und immer deutlicher wurden, fand ich über einen recht langen Zeitraum, so kam es mir zumindest vor, immer irgendwelche Gründe dafür, nicht lesbisch zu sein. Zum Nicht-Lesbischsein gehörte für mich allerdings eindeutig, romantische Liebe für Männer zu empfinden – was wiederum nicht eintraf. Im Gegenteil. Je mehr ich darauf wartete und auch von mir erwartete, mal endlich eine Verliebtheit für einen Jungen zu empfinden, desto anstrengender und unglücklicher wurde mein Leben. Gleichzeitig verschloss ich mich der Möglichkeit, Frauen kennenzulernen, die ebenfalls Interesse an Frauen hatten und verharrte in unterdrücktem und unerfülltem Begehren. Schließlich kam es zu einem großen Knall, einem inneren wie äußeren Breakdown, nach welchem ich entschied, mit dem Quatsch aufzuhören und die Sache beim Namen zu nennen: Ich bin lesbisch. Ende.

Mir hat die klare Bezeichnung geholfen, mich von meinen eigenen Fesseln zu befreien. Ich habe aber auch Menschen kennengelernt, die eine klare Bezeichnung als einschränkend empfinden und ihre Sexualität nicht mit einem Wort kategorisieren wollen. Generell wächst mit der Toleranz innerhalb der Menschheit und der Gesellschaft die Tendenz, das alteingefahrene Denken in Geschlechterrollen und -definitionen mehr und mehr abzuschaffen und somit verschieben sich auch die Begriffe der Sexualität. Es bleibt eine individuelle Auslegungssache.

Also was heißt jetzt hier lesbisch?!

Dass Frau sein und gleichzeitig Frauen lieben existiert. Genau wie alle anderen Formen und Bezeichnungen von Geschlechtern und Liebe. War schon immer so, wird immer so sein. Egal, ob man es als lesbisch, homosexuell, bisexuell, pansexuell, asexuell oder überhaupt gar nix mit -sexuell bezeichnet. Wenn die Schmetterlinge da sind, werden sie sich nicht durch Begrifflichkeiten vom Flattern abhalten lassen. Alles, was dir bleibt, ist mit ihnen mitzufliegen…

 

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