Statistisch trennen sich lesbische eingetragene Lebenspartnerschaften öfter als schwule Partnerschaften und heterosexuelle Ehen. Woran liegt das?!

Ich hatte letztens ein Gespräch, bei dem mein Gegenüber der festen Auffassung war, dass sich lesbische Pärchen eher und häufiger trennen als heterosexuelle Paare. Sie berief sich dabei auf ihren persönlichen Eindruck und ihre Beobachtungen in ihrem Umfeld. So verallgemeinernde Behauptungen stoßen bei mir schnell auf Widerstand, also stellte ich das mal grundsätzlich in Frage und deklarierte dies als ein rein subjektives Empfinden. Warum sollten sich Frauen-Paare denn öfter trennen und weniger langfristig funktionieren als Mann-Frau-Paare? Ich hätte eher gedacht – so blöd sich das auch lesen mag – dass allein schon aus dem Grund, dass sich frauenliebende Frauen nicht so viel über den Weg laufen wie Heteros, die Trennungsrate aufgrund mangelnder Alternativen bereits niedriger sein dürfte. Und Frauen suchen doch angeblich Partner fürs Leben und nicht für kurze Abenteuer. Warum sollten sie sich eher trennen als andere?!

Leider bin ich dann auf Berichte mit Zahlen gestoßen, die mir meine Illusionen über die Bindungsfähigkeit von frauenliebenden Frauen tatsächlich trüben. Lesbische Lebenspartnerschaften sind die, die am häufigsten wieder geschieden werden. Häufiger als schwule Partnerschaften und heterosexuelle Ehen. Weniger Lesben als Schwule schließen den Bund fürs Leben und dann halten diese Verbindungen auch noch weniger lange – 4,8 Jahre im Vergleich zu schwulen 7,5 Jahren. Das ist doch irgendwie… deprimierend!

Interessanterweise ist es auch bei heterosexuellen Ehen so, dass Frauen öfter die Scheidung wünschen als Männer. Allerdings gilt das nur für Ehen – in nicht vor dem Gesetz geschlossenen Beziehungen trennen sich die Geschlechter gleich häufig. Sozialpsychologen erklären das damit, dass die alten Rollenklischees, die mit der Ehe verbunden werden, dafür sorgen, dass es für Frauen in der Ehe eher schwierig wird als für Männer. Interessant. Erklärt aber nicht, warum sich lesbische Paare trennen.

Warum trennen sich Lesben häufiger als andere?

Darüber lässt sich nur mutmaßen. Ich habe mal gehört, Frauen hätten oftmals höhere Beziehungsstandards als Männer. Sie hätten höhere Ansprüche an all das, was in einer Beziehung für sie funktionieren muss – Aufmerksamkeit, Zweisamkeit, Sex, Geld, Freiraum, etc. pp. – und sind dementsprechend auch schneller unglücklich, wenn diese Ansprüche nicht zu 100% erfüllt werden. Man kann sich vorstellen, dass zwei Frauen mit ihren individuellen hohen Ansprüchen an die Standards ihrer Beziehung schnell aneinander geraten können.

Eine weitere Erklärung, die mir durch den Kopf schießt, ist der berüchtigte “Lesbian Bed Death”. Die Soziologin Pepper Schwartz hat in den 80er Jahren den Mythos des lesbischen Bettentods geschaffen, der besagt, dass besonders Lesben in langen Beziehungen die Lust aufeinander verlieren. Die Methodik ihrer Forschung wurde vielfach kritisiert – doch der Mythos hält sich. Generell, also auch in heterosexuellen Langzeit-Beziehungen, scheinen Frauen dazu neigen, die Lust auf Sex zu verlieren. Und wo nun zwei Frauen aufeinander treffen, wird es dann quasi doppelt lustlos? Und unglücklich? Ich persönlich glaube, dass die Sache mit dem Sex in einer Beziehung eine höchst individuelle Geschichte ist. Es gibt Menschen, die sind völlig zufrieden damit, wenn es wenig sexuellen Kontakt gibt – und es gibt Menschen, die brauchen dringend Sexualität, um glücklich zu sein. Das muss jedes Paar für sich selbst herausfinden und ist, denke ich, auch kein allgemeiner Grund dafür, warum sich Lesben öfter trennen.

Mir fällt aber noch eine Theorie ein: Lesbische Paare haben es einfach, schlicht und ergreifend, immer noch schwerer als andere Paare; egal ob schwul oder heterosexuell. Weil sie Frauen sind. Ich will nicht sagen, dass es Schwule leicht haben, nein – aber ich glaube, es ist eine andere Art der Diskriminierung und des Argwohns, die ihnen entgegenschlägt. Allein weil es sich bei Schwulen um Männer handelt, genießen sie die Vorteile ihres Geschlechts innerhalb der Gesellschaft. Wir sind da in unserem Kulturkreis schon relativ weit, keine Frage – aber noch immer verdienen Männer besser als Frauen, sitzen in den großen Chefetagen und manche besonders frauenverachtenden Männer regieren gar die mächtigsten Länder der Welt. Es bestehen nach wie vor Ungleichheiten in der Akzeptanz und Repräsentanz von Männern und Frauen. Frauen, die dann auch noch lesbisch sind und so noch weniger in das Weltbild einer männerdominierten Gesellschaft passen, haben einen besonders schwierigen Stand. Ich kann mir vorstellen, dass sich Frauenpaare an diesem Weltbild stoßen und vor lauter “anders sein” daran zerbrechen können.

Wie gesagt, ich spekuliere. Vielleicht gibt es noch andere Erklärungen, die mir das Phänomen zerbrechender lesbischer Partnerschaften aufdröseln können? Lasst es mich gerne wissen. Ansonsten, denke ich, ist dieses Thema eines, wo ich mich an einen meiner liebsten Leitsätze halten möchte: Sei selbst die Veränderung in der Welt, die du sehen möchtest. 😉