Die meisten homosexuellen Menschen haben sich sicherlich schon einmal gefragt: “Warum bin ich homosexuell?” Wird man lesbisch geboren, oder entwickelt man sich im Verlaufe des Lebens zur Lesbe? Tausende Vermutungen und mehr oder minder ernstzunehmende Theorien beschäftigen sich mit dieser Frage – doch die eine Antwort gibt es nicht. Zum Glück!

Vorab – nach “Ursachen” und “Symptomen” der Homosexualität zu suchen, ist eine heikle Sache. Homosexualität ist ein Teil der Natur und des Lebens so wie alle anderen sexuellen Identitäten ebenfalls und die Suche nach ihren Ursprüngen kann schnell fälschlicherweise als eine Art Problemlösung verstanden werden – wir gehen zurück zum Anfang, um dort zu erkennen, was “anders” gelaufen ist. Das ist der Ansatz, den Fanatisten und dubiose “Heiler” verfolgen – und das ist dämlich. Homosexualität ist keine Krankheit und keine bewusste Entscheidung, die man jederzeit ändern könnte. Aber – jeder Mensch auf der Suche nach seiner Identität fragt sich früher oder später, wo er herkommt. Somit hat die Frage nach dem “wie” oder “warum” ein Mensch homosexuell wird (oder ist) durchaus ihre Daseinsberechtigung. Aus diesem Grund habe ich Google angeschmissen und mir durchgelesen, was die Welt bislang zu dieser Frage zu sagen hat…

Lesbisch zu werden ist keine Entscheidung

Homosexualität macht für manche Menschen keinen Sinn – schließlich trägt sie nichts zur Fortpflanzung der Gattung Mensch bei. Ach ja – und auch die Bibel hält sie nicht für gut. Deshalb werden manche Menschen selbst in Zeiten der möglichen Überbevölkerung des Planeten Erde und einer gewissen Angestaubtheit der 2000 Jahre alten Bibel nicht müde, Homosexualität als unnatürlich und unnormal zu sehen. Bei der Recherche zu diesem Beitrag bin ich auf der Homepage des Deutschen Instituts für Jugend und Gesellschaft gelandet – ein jüdisch-christlich motiviertes Institut, das ziemlich fragwürdige Theorien zur Homosexualität veröffentlicht (und die ich jetzt hier nicht verlinke, damit sie nicht mehr Klicks bekommen). Ihren Vorstellungen nach ist Homosexualität eine Entscheidung, bedingt durch eine Reihe schlechter Erfahrungen in der Kindheit. Lesben hätten zum Beispiel meist einen schlechten oder gar keinen Bezug zu ihrer Mutter und würden in einem tiefen Selbsthass zu sich selbst leben, aufgrund ihrer abgelehnten, weiblichen Identität. Sie würden versuchen, diesen Mangel in der erotischen Beziehung zu einer anderen Frau zu kompensieren. Aha. Ja. Liebes, komisches Institut: Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu meiner Mutter und ich bin gerne eine Frau, denn – ich liebe Frauen! Wie passt das zusammen?

Diese psychologisierenden Bemühungen erzkonservativer Lager, die Homosexualität als etwas schlechtes und widernatürliches erklären, sind schlicht und ergreifend nicht fundiert. Sie ignorieren auch das Vorkommen von lesbischen Tieren in der freien Natur. Ob diese auch alle schlechte Erfahrungen mit ihren Müttern gemacht haben?! Nichtsdestotrotz ist nicht auszuschließen, dass auch soziale und individuelle Erfahrungen eines Lebens Auswirkungen auf die Sexualität und somit auch Homosexualität eines Menschens haben – oder auch darauf, ob sie überhaupt erkannt und ausgelebt wird. Aber, was mich persönlich echt interessiert – was sagt denn die Biologie dazu?

Es gibt kein Homo-Gen – aber womöglich eine Präferenzen-Übertragung?

Eine Zeit lang vermuteten Wissenschaftler ein Gen, das Homosexualität auslöse. Es wurden Studien mit Zwillingen durchgeführt, bei denen am Ende aber nur herauskam, dass die Homosexualität nicht den Regeln der klassischen Genetik folgt. Zudem widerspräche ein Homo-Gen der Evolutionstheorie. Durch die niedrige Fortpflanzungsrate von Schwulen und Lesben hätte das Gen von der Natur längst herausgefiltert werden müssen – doch die statistische Zahl homosexueller Menschen ist in allen Kulturen ziemlich konstant.

In der Quartely Review of Biology 2012 glauben Forscher, eine Erklärung gefunden zu haben. Nach ihren Erkenntnissen würde Homosexualität in jeder Generation neu entstehen. Über sogenannte “epigenetische Steuerbefehle”, Epi-Marks, könnten sexuelle Präferenzen übertragen werden – vom Vater auf die Tochter zum Beispiel, die sich dann ebenfalls für Frauen interessiert. 

Ein interessanter Ansatz, der auch verschiedene Abstufungen von Sexualität erklären könnte. Wenn beispielsweise eine Prägung nicht vollständig übertragen werde, kann Bisexualität entstehen. Oder auch verschiedene Ausprägungen von Verhalten – wie das manchmal “feminine” bei Schwulen oder das “männliche” bei Lesben.

Die Entstehung von Homosexualität bleibt unser kleines Geheimnis…

Letztlich ist aber auch diese Theorie nur eine weitere mögliche Erklärung für Homosexualität und keine finale und endgültige. Und vielleicht ist das ein Glück. Schließlich würde ein eindeutiger “Auslöser” für Homosexualität ganz schnell homofeindliche Menschen auf den Plan rufen – und womöglich würden sie mit einer Entwicklung eines Gegenmittels beginnen. Für die Akzeptanz von Homosexualität in der Gesellschaft wäre dies der absolute Super-GAU. Vielleicht ist ein wenig Geheimnis also gar nicht so schlecht!

Ich persönlich gehe übrigens davon aus, schon lesbisch geboren worden zu sein. Ich bin einfach lesbisch, ich bin es nicht erst durch irgendwelche Umstände und Erfahrungen geworden. Aber unterschiedliche Lebensläufe haben unterschiedliche Erfahrungen hervorgebracht – wie zum Beispiel Frauen, die glaubten lesbisch zu sein und sich dann doch in einen Mann verliebten, wie Jenny aus meinem Artikel “Letztendlich ist das Geschlecht egal”. Was sagt uns das? Die Liebe ist ein einziges großes, meist schönes Geheimnis – und manche Geheimnisse sollte man besser nie lüften…