Liebe, Intrige, viel Erotik und zwischendurch merkwürdig lustige Momente – der koreanische Film “Die Taschendiebin” erzählt eine intelligente, lesbische Liebesgeschichte, basierend auf dem Roman “Solange du lügst” von Sarah Waters.

Solange du lügst” ist einer meiner absolut liebsten lesbischen Romane. Die Liebesgeschichte zweier junger Frauen, die sich als Zofe und Herrin begegnen und plötzlich in einem verworrenen Intrigenspiel wiederfinden, bei dem keiner mehr weiß, wer hier wen übers Ohr zu hauen versucht, wurde nun vom südkoreanischen Regisseur Park Chan-wook ins Korea und Japan der 1930er Jahre transferiert. Ich stand dem Film eher skeptisch gegenüber, da ich das Buch und die BBC-Verfilmung dessen bereits großartig fand. Ich hatte Sorge, die Übersetzung der Story in eine so völlig andere Kultur könnte misslingen. Nachdem ich mir den Film, der in einigen kleineren Programmkinos gerade in Deutschland läuft, angesehen habe, kann ich sagen: Die Koreaner haben hier eine ganz eigene Geschichte erschaffen, die mit dem Original nur bedingt vergleichbar ist.

Taschendiebin Sookee (Kim Tae-ri) wird von dem Gauner Graf Fujiwara (der natürlich gar kein Graf ist) in das Haus des Büchersammlers Kouzuki eingeschleust, um dort als Zofe dessen Nichte, die reiche Erbin Hideko (Kim Min-hee), davon zu überzeugen, den Grafen zu heiraten. Sein Plan ist es, Hideko im Anschluss an die Hochzeit ins Irrenhaus werfen zu lassen und mit ihrem Geld durchzubrennen. Schnell stellt Sookee fest, dass sie Sympathien für Hideko empfindet, die weit über bloße Sympathien hinausgehen… Dabei weiß Sookee nicht, dass Hideko ein dunkles Geheimnis mit sich trägt. Sie steht wie eine Leibeigene im Dienst ihres Onkels, der sie ausgewählten Herren aus seinen Büchern vorlesen lässt – es handelt sich um Bücher, die man schlichtweg Pornos nennen kann. Sookee weiß also auch nicht, dass Hideko es selbst faustdick hinter den Ohren hat – und selbst einen Plan mit dem Grafen verfolgt.

Der Film gliedert sich in 3 Teile, wobei die Teile 1 und 2 dieselbe Handlung aus zwei unterschiedlichen Perspektiven erzählen. So enthüllen sich auch für den Zuschauer erst nach und nach die wahren Absichten der Protagonisten. Als Zuschauer weiß man mitunter selbst nicht mehr, wer hier wen hintergeht und wer hier wen eigentlich begehrt – denn der Film ist aufgeladen mit allerlei erotischen Bezügen und schließlich auch sehr expliziten Sexszenen. Für meinen Geschmack waren sie schon zu explizit – ein wenig mehr Geheimnis hätte ich mir in diesem von Geheimniskrämerei geprägten Film durchaus vorstellen können. Die Deutlichkeit und (für mein Empfinden) auch die Übertreibung dabei haben mich irritiert. Aber vielleicht ist es genau das, was der Regisseur mit diesen Szenen bezwecken wollte – einen Ausbruch aus der Heimlichkeit und Schwere, die das düstere Haus überlagern, hinein in Zügellosigkeit und Extase. Auch irritierend: Zwischendurch wird die generell angespannte Stimmung der Geschichte mit komödiantischen Szenen aufgelockert, die man nie an diesen Punkten erwartet hätte und dem Film so eine ganz eigentümliche Atmosphäre verleihen.

Am meisten überzeugt hat mich “Die Taschendiebin” in einem musikalisch stark untermalten Moment. Bildgewaltig und mit wunderschönem Soundtrack versehen wird Sookees und Hidekos Reise zur Heirat zwischen Hideko und dem Grafen gezeigt, eine Flucht, die letztlich einen großen Aufbruch bedeutet – wie der Zuschauer später feststellt. Die Szene fand ich wirklich großartig und kehrte die starke Bindung der beiden Protagonistinnen eindrücklich hervor.

Hört euch mal dieses musikalische Thema an, mich nimmt das sofort wieder mit:

Alles in allem halte ich “Die Taschendiebin” für einen absolut sehenswerten Film, bei dem man allerdings darauf eingestellt sein muss, ein bisschen herausgefordert, ein bisschen ins Unangenehme gestoßen zu werden. “Die Taschendiebin” erzählt einiges mehr, als eine verworrene Liebesgeschichte – sie erzählt nebenbei auch von dem seltsamen Verhältnis zwischen Korea und Japan, von dem ich so nichts wusste, und sie erzählt auch mit stärkerer Betonung als das Original vom Geschlechterkampf, sexueller Unterdrückung und sexueller Befreiung. Die Geschichte löst sich übrigens vollkommen anders auf, als man es aus der Romanvorlage kennt… Also: Schaut’s euch an!